Freitag, 22. Juni 2012

Rückkehr nach Attandarra

Rückkehr nach Attandarra

Kayla konnte nicht anders. Sie musste ein letztes Mal vor dem großen Krieg zurückkehren. In ihre Heimat, in ihre Stadt. Nach Attandarra.
Nun stand sie auf dem Felsen süd-östlich der Stadt, ihren Blick fest auf das Stadtzentrum gerichtet. Es schnürte ihr die Kehle zu, denn das war nicht mehr das Attandarra, das sie vor langer Zeit verlassen hatte.
Überall ragten Wolkenkratzer und neue Gebäude, sie erkannte fast nicht wieder. Zwischen den ganzen Bauten konnte sie die große Kirche erkennen. Noch gerade eben so.
Davor blitzte ein Gebäude mit eckigem Dach auf. Das Museum. Ihr Blick wanderte. Im Hintergrund sah man deutlich das Krankenhaus, grüner denn je. Das beruhigte sie ein wenig. Wenigstens etwas. Zu ihrer Rechten ragte die prunkvolle Burg heraus. Kayla lächelte. Zu jener Zeit waren nach dem Krieg fast alle Burgen zerstört worden und man sah kaum noch welche. Viele der jüngsten Generation der Menschen hatten noch nie eine gesehen.
Tränen strömten ihr die Wangen hinab. Endlich zu Hause. Wohlige Schauern liefen ihr über den Rücken. Sie hatte definitiv zu lange gewartet.
Doch sie merkte, das irgendwas nicht stimmte. Etwas war anders. Sie spürte es. Die Bedrohung ging von der Höhle aus. Doch das hatte sie vorerst nicht zu interessieren. Sie musste zu ihrer Familie.
Kayla war schnell und flink, niemand sah sie, niemand wusste, dass sie hier war. Sie spürte große Furcht, doch anstelle eines schneller schlagenden Herzens spürte sie nur einen fetten, kalten Brocken, der sie runterzog. Sie brach auf.
Die Menschen waren erstaunlich normal. Sie grinste. Die Menschen aus Attandarra waren noch nie normal gewesen.
Nachdem sie den Alltag auf der Straße eine Weile beobachtet hatte und jedes ach so kleine Geschehnis in sich aufgesogen hatte, lief sie in die Straße, die zu ihrem Haus führte. Ihr Magen zog sich zusammen. Es war erstaunlich ruhig. Früher hörte man Stimmen die ganze Straße hinunter. Sie schluckte schwer.
Von weitem sah sie das Haus – es hatte sich nichts verändert.
Sie hielt inne. Autos fuhren an ihr vorbei, Menschen streiften sie, aber ihre Augen klebten an der Fassade des Hauses, sie war wie hypnotisiert.
Sie weinte und lächelte gleichzeitig. Die ausgewaschene Farbe am unteren Teil des Hauses hatte ihr Vater immer noch nicht nach gestrichen. War klar. Der Baum im Vordergrund blühte prächtig, die Blätter streckten sich über die gesamte Front. Neben dem Haus stand nun ein modernes Gebäude, ein starker Kontrast zu dem alten Haus. Im tiefsten Innern hatte sie gewusst, es würde sich niemals irgendwas verändern. Ihr Herz machte einen Sprung. Sie stockte. Ihr Herz? Es war doch nur noch ein Eisklotz, wie konnte das sein...?
Noch bevor sie in sich gehen konnte, um zu verstehen, was gerade in ihrem Inneren passiert war, roch sie ihn. Skin–Walker. Wölfe. Scheiße. Pure Aggressivität. Das war es gewesen. Jetzt wusste sie, was nicht stimmte. Die Hüter Attandarras waren diese bestialischen Tiere. Ihr Blick verfinsterte sich. Sie drehte sich nicht um, sie wusste genau wie viele es waren und wo sie sich befanden. Sie spürte, wie sie näher kamen.
Wut flammte in ihr auf. Sie musste handeln. Und zwar schnell. Sie könnte sie jetzt alle töten, jedoch war das hier nicht der richtige Ort dafür.
Kayla lief. Sie hörte jemanden jaulen. Dann ein Knurren. Uns sie wusste, sie wurde verfolgt. Verdammt. Aber sie war schnell und selbstsicher und eiskalt. Bei letzterem war sie sich gerade nicht mehr so sicher. Irgendetwas war passiert, aber sie musste sich jetzt auf etwas anderes konzentrieren. Zurück auf den Felsen von vorhin, blieb sie stehen, als sie sich sicher war, das keiner hinter ihr war.
Sie hatte ein ziemlich großes Problem. Sie war so naiv gewesen.
Sie musste fort. Aber sie würde wiederkommen. Oh, Attandarra...
Plötzlich wurde sie zu Boden geworfen. Etwas Schweres und Heißes lag auf ihr. Sie konnte sich nicht bewegen, der Aufprall war so heftig gewesen, das ihr Kopf dröhnte. Kayla sammelte ihre Kräfte. Der Blutdurst übermannte sie. Sie spürte seinen Atem an ihrer Wange. Er hielt ihre Hände am Boden und fixierte ihren Körper mit seinem.
Bevor sie sich auf ihn stürzte um ihn zu töten, öffnete sie die Augen und wurde von zwei ausgeprägten Bernsteinen angefunkelt.
Kayla wurde ganz still. Er auch. Sein Gesicht war nur Zentimeter von ihrem entfernt und seine tiefe Narbe sah aggressiver aus denn je.
Sein Blick war intensiv. Ihr Blut brodelte, ihr wurde heiß. Er ist es!
„Kayla“, knurrte er mit tiefer Stimme. Das war der Moment, in dem ihr Herz stark und fest anfing zu schlagen.


von Maria Parassi

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